Leitfaden
Das Germersheimer Übersetzerlexikon (UeLEX) ist ein digitales, online frei zugängliches Nachschlagewerk zur Kulturgeschichte des Übersetzens. Nach dem Vorbild des in den letzten Jahren entstandenen schwedischen Übersetzerlexikons (www.oversattarlexikon.se) werden hier zu bedeutenden und interessanten Übersetzern wissenschaftlich fundierte Originalbeiträge gesammelt – in Essayform geschriebene Übersetzerporträts im Umfang von 2–12 DIN A4 Seiten (5.000 – 30.000 Zeichen), ergänzt um eine detaillierte Bibliographie. Primär geht es um Literatur-Übersetzer, wobei der Literaturbegriff inklusiv-offen gefasst ist und Populärliteratur, Kinder- und Jugendliteratur, Comic-Genre u. ä. mit einschließt. Auch Übersetzer von religiösen, philosophischen, naturwissenschaftlichen, politischen und anderen Texten werden vorgestellt. Angestrebt ist eine breite zeitliche Streuung innerhalb der neuzeitlichen Epoche (ab ca. 1500 bis heute) sowie die Berücksichtigung möglichst vieler (auch „kleiner“ bzw. distanter) Sprach- und Kulturräume. Entsprechend der Zielsetzung, durch das Projekt neue Perspektiven auf die Geschichte des Übersetzens zu gewinnen, sollen sowohl Übersetzer präsentiert werden, deren Namen dank eigener Originaltexte bereits in die Kulturgeschichte eingegangen sind (z.B. „Dichter-Übersetzer“), als auch „Nur-Übersetzer“, von denen mitunter nicht mehr als der Name bekannt ist. Das Lexikon wird sich zunächst auf Personen konzentrieren, die ins Deutsche übersetzt haben.
2 Formale und inhaltliche Aspekte
2.1 Der (namentlich gezeichnete) Artikel soll mit einem oder mehreren prägnanten, Interesse weckenden einleitenden Sätzen beginnen. Beispiele: XY trat als … hervor; arbeitete mit den Sprachen A, B, C…; gilt als bedeutendster/bekanntester/produktivster/herausragender Übersetzer/Vermittler der A Literatur etc. + weitere „Profile“ (Schriftsteller, Journalist, Verleger, Philologe etc.).
2.2 Im Idealfall besteht der Artikel aus drei Teilen: Wer? Was und warum? Wie?
I. Wer: Neben Angaben zum Geburts- und Sterbedatum sowie Geburts- und Sterbeort, soll der Lebensweg mit dem Schwerpunkt Sprach- und Geobiographie skizziert werden. Es können neben dem familiären Hintergrund (z.B. Mehrsprachigkeit in der Familie) insbesondere die für die Biographie relevanten Kulturräume genannt werden (wo aufgewachsen, studiert, wie zu den Übersetzungssprachen gekommen etc.; Auslandsaufenthalte, freiwillige und erzwungene Migration, Krieg und Gefangenschaft).
II. Was und warum: Das übersetzerische Œuvre. In diesem Abschnitt können allgemeine Tendenzen und Präferenzen innerhalb des Œuvres (Sprachen, Gattungen, Autoren, Epochen) sowie die jeweiligen Entstehungsbedingungen dargestellt werden. Im Fließtext sollten insbesondere bei umfangreichem Œuvre nicht sämtliche übersetzten Autoren und Werke aufgezählt werden. Für solch vollständige Informationen ist die den Artikel ergänzende Bibliographie vorgesehen.
III. Wie: Die übersetzerische Gesamtleistung soll kritisch, d. h. weder hagiographisch, noch „amartolographisch“ – durch Aufzählung von „Sünden“ – dargestellt werden. Finden sich (ob im Feuilleton oder in wissenschaftlichen Beiträgen) Äußerungen zum Wie des Übersetzens, so neigen diese oft zu einem der beiden Extreme und geraten daher automatisch undifferenziert bis trivial („gelungen“-„Schnitzer“-Rhetorik). Wir möchten die Autoren dazu ermutigen, zurückhaltend und selbstreflexiv vorzugehen, um das Œuvre des Übersetzers in seiner differentiellen Einzigartigkeit sichtbar werden zu lassen. Ideal erscheint uns eine Art Triangulierung:
(1) Übersetzungspoetologische Äußerungen des Übersetzers selbst (allgemeine Aussagen zum Übersetzen, zur „Kulturvermittlung“ etc., Reflexion auf die konkrete translatorische Tätigkeit in Vor- und Nachworten, Interviews, Preisreden, Briefen, Tagebuchaufzeichnungen etc.)
(2) Aussagen von Kritikern in Rezensionen und Einschätzungen in wissenschaftlicher Sekundärliteratur. Gerade bei diesem Punkt soll die Selbstreflexion den UeLEX-Autor davor schützen, unhinterfragt Bewertungskriterien zu übernehmen, die im literarischen und im wissenschaftlichen Feld zirkulieren und an nicht explizierte Prämissen geknüpft sind, etwa hinsichtlich der Fragen, was eine Übersetzung „leisten“ soll (ihre „Funktion“ in einer „Kultur“) oder was sich das „allgemeine Lesepublikum“ wünscht, ganz zu schweigen von der Frage, was „gelungen“ ist und was nicht.
(3) Beschreibung und Bewertung von Besonderheiten des übersetzerischen Schaffens durch den Verfasser des UeLEX-Artikels. Hier soll der Autor eine Art dritte Position einnehmen, die eine kritische Distanz ermöglicht sowohl zu Äußerungen des Übersetzers, als auch zu denen aus seinem Umfeld (besonders wenn dieses durch diskursive und habituelle Zwänge kompetitiven Verhaltens geprägt ist).
Exzessive Vergleiche zwischen Original und Übersetzung bzw. mehreren Übersetzungen desselben Ausgangstextes sollen nicht vorgenommen werden, einzelne prägnante Beispiele können aber natürlich angeführt und besprochen werden. Hier ist wiederum, gerade wenn es um Prosa-Übersetzer geht, Zurückhaltung vor Verallgemeinerungen geboten.
2.3 Insgesamt soll der Artikel in einer Verknüpfung biografischer, zeitgeschichtlicher, literatur- bzw. translationssoziologischer und übersetzungspoetologischer Aspekte eine möglichst präzise Vorstellung vom translatorischen Handeln des Übersetzers sowie von seiner Position im kulturellen Leben vermitteln. Dazu können im einzelnen Angaben über die Vernetzung im deutsch- und fremdsprachigen Literaturbetrieb, über Honorare, Mäzene, Preise, Stipendien, Mitgliedschaften sowie darüber gemacht werden, welchen Platz die übersetzerische Tätigkeit im Leben des Übersetzers einnahm (z. B. haupt-/nebenberuflicher Broterwerb) und was sie ihm im Positiven, aber u. U. auch im Negativen bedeutete (Entdeckerfreude, philologischer Ehrgeiz, Erweiterung der sprachkünstlerischen Möglichkeiten, Kompensation für Misserfolge als „Originalautor“ usw.).
2.4 Wir bitten, im Zuge der Recherchen für den Lexikon-Beitrag nach einem passenden Porträt des Übersetzers zu suchen (als Fotografie, Zeichnung u. ä.) und nach Möglichkeit die Rechte an diesem Bild zu klären.
2.5 Im Schlussteil des Artikels soll ein knapper, aber auch zu weiteren Studien anregender Hinweis auf die Forschungssituation gegeben werden: a) Informationen über die Quellensituation (Nachlass des Übersetzers, weitere aufschlussreiche Bestände z. B. in Literatur- oder Verlagsarchiven usw.), b) Hinweise auf bereits vorliegende Arbeiten zu Biographie und Werk des Übersetzers sowie auf noch unbearbeitete Fragestellungen.
Der Verfasser des Artikels wird gebeten, neben dem Artikel selbst auch eine umfassende, d. h. möglichst vollständige und detaillierte Bibliographie des Gesamtwerks des Übersetzers zu erstellen. Das bedeutet zum einen, dass sowohl selbständige als auch unselbständige Publikationen erfasst werden (z. B. Übersetzungen einzelner Gedichte in Literaturzeitschriften und Anthologien). Zum anderen werden nicht nur Übersetzungen, sondern auch Herausgeberschaften, „Originaltexte“ wie eigene literarische Werke, Monographien, Rezensionen, Vor- und Nachworte, wissenschaftliche Artikel usw. bibliographiert. Neben diesen Primärtexten soll die Sekundärliteratur in einer eigenen Rubrik erfasst werden. Man sollte jedoch berücksichtigen, dass je nach Übersetzer unterschiedliche Strategien sinnvoll sind. Bei unbekannteren Übersetzern ist eine möglichst vollständige Bibliographie geboten, bei namhaften Dichter-Übersetzern (Goethe, Herder, Rilke, Celan usw.) ist das umfassende Bibliographieren zumindest ihrer Originalwerke natürlich nicht erforderlich.
Da das Lexikon-Projekt (insbesondere die Programmierarbeit für die digitale Aufbereitung der Daten) in der Entwicklungsphase begriffen ist, kann das genaue Format für die bibliographischen Angaben noch nicht festgelegt werden. Der Verfasser des Artikels wird deshalb gebeten, alle zu ermittelnden Informationen zu den einzelnen Übersetzungen (einschl. Umfang, Neuauflagen, Buchclubausgaben usw.) und ihren jeweiligen Originalen (Titel, Jahr) zusammenzutragen. In besonderen Fällen können die Angaben zum Original spezifiziert werden (Entstehungsdatum, Publikationsort und Verlag, vom Übersetzer verwendete Ausgabe usw.).
Die Arbeit mit Literaturdatenbanken (Citavi, EndNote, Litlink etc.) wird begrüßt.
Beide Teile des Beitrags (Essay und Bibliographie) sollen als doc-Dateien erstellt und an die Redaktion geschickt werden.
Andreas F. Kelletat / Julia Boguna / Aleksey Tashinskiy
(Stand: April 2016)